Meine langjährige buddhistische Freundin und ich haben am 28. April 2022 eine Ansprache zur aktuellen Situation gehalten.

Mitgefühl mit Menschen, die Entscheidungen fällen (c) Claudia Zwiener:
Liebe Mitmenschen,
der im Januar verstorbene buddhistische Lehrer Thich Nhat Hanh hat einmal gesagt: "Hass und Furcht machen uns blind. Wir können uns nicht mehr sehen. Wir sehen nur noch die Gesichter von Monstern und das ermutigt uns, einander zu zerstören." Mit diesen aufrüttelnden Worten möchte ich heute Abend unsere Andacht einleiten und ermutigen, unser Mitgefühl für die Menschen entwickeln, die von Hass und Hetze bedroht sind.
Dazu gehören auch Menschen in verantwortungsvollen Ämtern, die in dieser leidvollen Zeit nicht nur Entscheidungen treffen müssen, die sich auf die 80 Millionen Menschen beziehen, die in Deutschland leben, sondern auch darüber hinaus.
Es sind Menschen wie wir – es sind Menschen, die atmen und fühlen, die Bedürfnisse, Sorgen und Ängste haben und die -so wie wir auch- in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben möchten. Es sind Menschen, die nicht mehr „abschalten“ können und über ihre Grenzen hinaus gehen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Sie müssen Entscheidungen treffen, die als unpopulär gelten und gehen somit ein weiteres, hohes persönliches und auch lebensbedrohliches Risiko ein.
Es sind Menschen, die von Schuldgefühlen und schlaflosen Nächten geplagt sind. Es geht nicht darum, ob diese Menschen etwas richtig oder falsch entscheiden; es geht nicht um unsere Meinung.
Vielmehr geht es um unsere eigene Haltung und auch darum, unsere eigenen Reaktionen zu überprüfen, wenn etwas entschieden wird, mit dem wir nicht konform gehen oder gegen das wir sogar Abneigung empfinden.
Wir dürfen dankbar sein, wenn wir Menschen in unseren Leben haben, die uns unterstützen, unsere Blickrichtung zu ändern. Wir dürfen diesen Menschen deshalb dankbar sein, weil sie uns helfen, mit unseren Ängsten und unserer Unzufriedenheit einen heilsameren und friedvolleren Umgang zu finden.
Mögen wir in der Lage sein, diese Impulse in unseren Herzen aufzunehmen, um uns in die Menschen einfühlen zu können, die derart schwere Entscheidungen treffen müssen. Mögen wir die Fähigkeit erwerben, Verständnis aufzubauen.
Mögen wir unsere Verbundenheit mit den Menschen spüren, die diese Entscheidungen fällen, ganz unabhängig davon, ob wir deren Entscheidungen richtig oder falsch finden. Wir sind vereint im Menschsein.
Mögen auch diese entscheidenden Menschen die Verbundenheit mit uns spüren, damit sie den Mut haben, Entscheidungen zu treffen.
Mögen wir uns vor Augen halten, dass Mut und Demut eng miteinander verknüpft sind:
Menschen, die die Qualität der Demut verinnerlicht haben, haben die Kraft und Stärke, Gier Hass und Verblendung zu überwinden.
Der Buddha selbst sagt im Mangala-Sutta über die Bescheidenheit bzw. Demut: „Ein Herz voll Ehrfurcht und voll Demut, zufriedenes und dankbares Gemüt, Zur rechten Zeit der Lehre lauschen,—das, wahrlich, ist das höchste Glück.“
Die Kraft der Demut steht genau im Gegensatz zu Gier, Hass und Verblendung. Demut führt zum Glück. Gier, Hass und Verblendung führen dagegen zu unbeschreiblichem Leid.
Senden wir heute unser Mitgefühl mit wohlwollenden Gedanken zu all den Menschen, die schwere Entscheidungen fällen müssen. Verurteilen wir sie nicht dafür, wenn uns ihre Entscheidungen nicht gefallen sollten.
Mögen wir uns die zum Vorbild nehmen, die demütig sind und mögen wir in unseren eigenen Herzen Gier, Hass und Verblendung überwinden.
Nürnberg, 28.04.2022
Ansprache von Brigitte Meixner zum Thema "Buddhistische Sichtweise: Tat und Täter" (c) Brigitte Meixner
Meine Vorrednerin, Claudia Zwiener hat mit Herz und Mitgefühl für die Menschen in verantwortungsvollen Ämtern gesprochen, die zur Zeit schwere Entscheidungen treffen müssen.
Ich möchte noch etwas sagen zu den offensichtlichen Verursachern dieses Krieges, zu Wladimir Putin, und seine Getreuen. Am 24.Februar 2022 begann Russland einen großangelegten Überfall auf die Ukraine.
Mit dem Einmarsch der russischen Soldaten in ihr Nachbarland, die Ukraine, wurden wir in eine neue Realität geworfen. In dieser Realität wird bombardiert, Panzerkolonnen bewegen sich auf Großstädte zu und greifen sie an. Zivilisten,oft Frauen, Kinder , Alte und Kranke sind zu Hunderttausenden auf der Flucht.
Ein unendliches Maß an Gewalt und Zerstörung überzieht seither die Ukraine. Unvorstellbares Leid müssen die Ukrainer und Ukrainerinnen ertragen.
Wir beobachten diesen Krieg, wir fühlen mit den Opfern mit, wir leisten Hilfe,wo wir können.
Und gleichzeitig kann in uns Wut und Hass aufsteigen gegenüber den Verursachern dieser leidvollen Situation, Wut und Hass gegenüber Putin und seinen Getreuen.
Die buddhistische Lehre hilft uns zu unterscheiden zwischen der Tat und den handelnden Personen.
Die Tat, den schrecklichen und gewalttätigen russischen Angriffskrieg, verurteilen wir aufs Schärfste.
Die handelnden Personen, Putin und seine Regierungsvertreter, handeln unter dem Einfluss von Gier, Hass und Verwirrung.
Die Tragweite und die unheilsamen Folgen ihres Handelns beurteilen sie nicht richtig .
Hass, Gier und Verwirrung vernebeln ihren Geist.
So wollen wir unsere Gedanken und Gebete auch zu Putin und seinen Anhängern schicken: --Mögen sie erkennen, welches Leid sie mit ihren Handlungen über die Ukraine bringen. --Mögen sie zu diplomatischen Gesprächen über Waffenstillstand und Fluchtrouten bereit sein. --Mögen sie diesen zerstörerischen Krieg beenden. --Mögen sie für einen gerechten und nachhaltigen Weg zum Frieden bereit sein.
Nürnberg, 28.4.2022