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Die christliche Weihnachtszeit lädt mich ein, die Brahma Vihara zu praktizieren.

Liebe Dhammafamilie,

für unsere christlichen Mitmenschen ist die Weihnachtszeit von großer Bedeutung: eine Zeit der Besinnung, eine Zeit zum innehalten, eine Zeit der Entschleunigung und in dieser schweren, schweren Zeit ganz besonders eine Zeit, ein friedvolles Miteinander zu leben. Als Buddhistin glaube ich nicht an einen Schöpfergott, der alles erschaffen hat und der einen Plan für die Menschheit hat. Als Buddhistin teile ich jedoch Werte, die sowohl der Buddha, als auch Jesus von Nazareth der Menschheit geschenkt haben.

Als gemeinsame Werte sehe ich die "Brahma Vihara": das ist das, was wir im Buddhismus als "göttliche Verweilungsstätten" bezeichnen. Ich habe mich entschieden, in diesem traurigen, dramatischen Jahr für und mit meinen christlichen Mitmenschen in die "Brahma Vihara" einzutauchen, in den Gedanken und den Taten des Wohlwolles (Metta), des Mitgefühls/Erbarmens (Karuna), der Mitfreude (Mudita) und des Gleichmuts (Uppekkha). Ich muss mich nicht verbiegen und ich muss keine Kompromisse bei meinen buddhistischen Werten eingehen, um mit meinen christlichen Mitmenschen diese für sie besondere Zeit zu feiern.

Als Buddhistin empfinde ich Wohlwollen für meine christlichen Mitmenschen: ich wünsche ihnen von Herzen, dass sie in der Weihnachtszeit zur Ruhe kommen, entschleunigen können, inneren Frieden finden und eine wunderbare gemeinsame Zeit mit ihren Liebsten verbringen können. Ich habe Mitgefühl mit den Menschen, die in diesem Jahr schmerzliche Verluste erlitten haben und auch mit Mitgefühl denke ich an die Menschen in der Ukraine. Viele von ihnen sind in dieser Zeit der Kälte und dem Hunger ausgeliefert. Viele von ihnen werden in diesem Jahr nicht mit ihren Liebsten an einem reichlich gedeckten Weihnachtstisch sitzen und eine friedvolle Zeit erleben. Ich denke auch mit Mitgefühl an die Menschen weltweit, die in Ländern leben, die von Gewalt, Autokratie und Diktatur beherrscht werden. Menschen, die unfreiwillig in sinnlose Kriege geschickt werden. Auch das betrifft christliche Länder. Dieses Mitgefühl kann ich leben, indem ich an besonders bedürftige Menschen etwas spende.

Ich empfinde Mitfreude. Und der Grund für meine Mitfreude spielt sich fast vor meiner eigenen Haustüre ab: meine Geburtsstadt Nürnberg konnte endlich wieder die Tore öffnen, um zahlreiche Menschen am Christkindlesmarkt willkommen zu heißen. Was für eine Freude und was für ein Grund zur Mitfreude! Die Nürnberger Kinderweihnacht wurde sogar schon früher eröffnet. Unseren Kindern geht es nach der Pandemie und auch in der aktuellen Weltschmerzsituation ganz und gar nicht gut. Meine Mitfreude gilt also auch den Kindern, die mit glänzenden Augen die Weihnachtszeit in sich aufnehmen können. Sie gilt aber auch den Händlern am Christkindlesmarkt, die in schlimme Existenznöte durch die pandemiebedingte Pause geraten waren und heute nicht wusste, wie es morgen weitergehen soll.

Und dann ist da noch der Gleichmut: ja, als Buddhistin gehöre ich einer Minderheit in Deutschland an und oft treffe ich auf Unverständnis, dass ich nicht an einen Schöpfergott glaube. Ich erlebe, dass mir Menschen bewusst "Frohe Weihnachten" wünschen mit der Hoffnung im Hinterkopf, dass ich letztendlich doch zu "Gott und Jesus" finden werde. Muss ich mich bevormundet fühlen oder muss ich mich darüber empören? Nein! Ich kann diesen Wünschen mit Gleichmut begegnen. Ich bin felsenfest im Dhamma verankert und ich kann versuchen, diese Menschen im Herzen zu verstehen. Warum sollte ich mit Unverständnis auf Unverständnis reagieren? Wenn mir also ein Christ "Frohe Weihnachten" wünscht in der Hoffnung, dass ich irgendwann den Weg gehe, den er sich für mich wünscht, kann ich das ja als einen "guten Wunsch" für mich betrachten, ohne dass ich in eine unnötige Diskussion einsteigen muss, die mit noch mehr Unverständnis und Ärger auf beiden Seiten endet.


Eine wunderbare Lehrrede, die ich in interreligiösen Dialogen immer wieder teilweise zitiere, finde ich in der Mittleren Sammlung (MN 99) im Subha Sutta. Auf Anfrage, zeigt der Buddha den Weg auf, der zu "Brahma" führt, wenn man diesen Weg gehen möchte:


"Was ist das also, Brahmane, für ein Weg, der zu Brahma führt? Da strahlt, Brahmane, ein Mönch liebevollen Gemütes weilend nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. In also geübter liebevoller Gemüterlösung, Brahmane, kann beschränktes Werk nicht mehr übrig bleiben, nicht mehr bestehn. Gleichwie etwa, Brahmane, ein kräftiger Trompeter gar mühelos nach den vier Seiten posaunen kann (*1), ebenso nun auch, Brahmane, kann in also geübter liebevoller Gemüterlösung beschränktes Werk nicht mehr übrig bleiben, nicht mehr bestehn. Das aber ist, Brahmane, der Weg, der zu Brahma führt. "Weiter sodann, Brahmane: erbarmenden Gemütes, freudevollen Gemütes, unbewegten Gemütes weilend strahlt ein Mönch nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit erbarmendem Gemüte, mit freudevollem Gemüte, mit unbewegtem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem. In also geübter erbarmender, freudevoller, unbewegter Gemüterlösung, Brahmane, kann beschränktes Werk nicht mehr übrig bleiben, nicht mehr bestehn. Gleichwie etwa, Brahmane, ein kräftiger Trompeter gar mühelos nach den vier Seiten posaunen kann, ebenso nun auch, Brahmane, kann in also geübter erbarmender, freudevoller, unbewegter Gemüterlösung beschränktes Werk nicht mehr übrig bleiben, nicht mehr bestehn. Das aber ist, Brahmane, der Weg, der zu Brahma führt." (Quelle: https://www.palikanon.com/majjhima/m099n.htm)

In dieser Lehrrede finde ich wunderbare Gemeinsamkeiten, die das Christentum und den Buddhismus verbinden und die für mich ein Anlass ist, die Weihnachtszeit mit meinen christlichen Mitmenschen gemeinsam zu feiern.


Eure Claudia


Hier noch Links zu Recherchezwecken und Literaturempfehlungen.


Die buddhistische Kosmologie: https://de.frwiki.wiki/wiki/Cosmologie_bouddhiste


Die Brahma Vihara: https://de.wikipedia.org/wiki/Brahmavihara


Nirvana: https://de.wikipedia.org/wiki/Nirwana


Thich Nhat Hanh: Jesus und Buddha - Ein Dialog der Liebe https://www.buecher.de/.../produ.../detail/prod_id/44207120/


Ayya Khema: das Größte ist die Liebe https://www.medimops.de/ayya-khema-das-groesste-ist-die...

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